Folgt man der Einteilung der Krankheiten des rheumatischen Formenkreises zählen die entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zur ersten Hauptgruppe von Rheuma. Als entzündlich-rheumatische Erkrankungen werden all die Krankheiten mit rheumatischen Beschwerden bezeichnet, die durch Krankheiten des Immunsystems entstehen und meist chronisch verlaufen.
Entzündlich-rheumatische Erkrankungen zeichnen sich in den meisten Fällen dadurch aus, dass die Lebensqualität der Betroffenen unmittelbar beeinträchtigt wird. Die Beeinträchtigungen ergeben sich einerseits durch Schmerzen in den jeweilig betroffenen Körperregionen, also z. B. den Gelenken, Muskeln und dem umgebenen Gewebe. Andererseits gehen entzündlich-rheumatische Erkrankungen mit Symptomen wie Gewichtsverlust, Fieber, Abgeschlagenheit und daraus resultierendem Leistungsverlust einher. Bei einigen Ausprägungen der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen werden überdies Organe wie Herz und Niere oder auch das Herz-Kreislauf-System in Mitleidenschaft gezogen.
Die Gemeinsamkeit der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ist eine Fehlfunktion im Immunsystem. Die körpereigene Abwehr ist sozusagen fehlgeleitet. Sie erkennt und zerstört nicht mehr körperfremde Substanzen, die dem Organismus schaden könnten, sondern richtet ihren Angriff gegen körpereigene Strukturen, insbesondere die Bewegungsorgane. Wie und warum es zu dieser Fehlinterpretation des Immunsystems kommt, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Experten vermuten einen komplexen Zusammenhang zwischen genetischen, immunologischen und hormonellen Verläufen im Körper, die durch Einflüsse von außen, z. B. Rauchen, Infektionen und andere Umwelteinflüssen, negativ beeinflusst werden.
Es werden drei Gruppen entzündlich-rheumatischer Erkrankungen unterschieden:
Die rheumatoide Arthritis, fachärztlich auch als chronische Polyarthritis bezeichnet, ist die häufigste Ausprägungsform entzündlich-rheumatischer Erkrankungen. Sie zeigt sich in Form von chronischen Entzündungen, die mehr als drei Gelenke im Körper betreffen. In Deutschland leiden laut Robert Koch-Institut schätzungsweise 0,5 bis 0,8 Prozent der Bevölkerung unter rheumatoider Arthritis, wobei Frauen etwa zwei- bis dreimal so häufig betroffen sind wie Männer. Jährlich wird mit 20 bis 30 Neuerkrankten pro 100.000 Männer und 40 bis 60 bei 100.000 Frauen gerechnet.
Der Krankheitsbeginn bei Frauen liegt durchschnittlich zwischen dem 55. und 64. Lebensjahr. Bei Männern beginnt die Neuerkrankung in der Regel später, meist in einem Alter zwischen 65 und 75. Warum diese geschlechtsspezifische Besonderheit vorliegt und welche Faktoren die rheumatoide Arthritis genau auslösen, ist bis heute unklar.
Symptome der rheumatoiden Arthritis entstehen fast immer plötzlich und treten schubweise auf. Zu Beginn der Erkrankung verändern sich meist die kleinen Finger- und Zehengelenke, oft parallel in beiden Körperhälften: Sie schwellen an, schmerzen und sind überwärmt. Nach dem Aufstehen fallen alltägliche Bewegungen schwer, sogenannte Morgensteife. Im Laufe des Tages verbessert sich die Beweglichkeit in der frühen Form der Erkrankung, Schmerzen und Steifigkeit treten dann meist wieder nach der nächsten Nachtruhe auf.
Zusätzlich kann die Frühform der rheumatoiden Arthritis die großen Gelenke, also beispielsweise die Knie- oder Schultergelenke betreffen. Unbehandelt können sich die Entzündungen innerhalb von wenigen Wochen im gesamten Körper ausbreiten. Dann beschränken sich die Entzündungsherde nicht nur auf die Gelenke, sondern auch auf Sehnenscheiden, Halswirbelsäule und Schleimbeutel und zeigen sich im weiteren Verlauf in Form sogenannter Rheumaknoten an Ellenbogen und Fingern. Ist der gesamte Organismus von den Entzündungsprozessen der rheumatoiden Arthritis betroffen, sind grippeähnliche Symptome wie Fieber und Leistungsschwäche keine Seltenheit, die mit Nachtschweiß, Müdigkeit und Gewichtsabnahme einhergehen können.
Wie die rheumatoide Arthritis verläuft, ist individuell sehr verschieden. Je früher die Krankheit erkannt und behandelt wird, desto größer stehen die Chancen, die weitere Ausbreitung der Entzündungen im Körper einzudämmen und die Lebensqualität zu erhalten. Unbehandelt breiten sich die Entzündungen weiter aus, was zu einem Abbau der Gelenkstrukturen und letztendlich zur Zerstörung der Gelenke führen kann. In schweren Fällen greift die rheumatoide Arthritis auf Herz und Herzbeutel, Lunge, Rippenfell, Nervensystem und Blutgefäße über.
Morbus Bechterew, auch unter dem Begriff ankylosierende Spondylitis bekannt, ist die häufigste Form der entzündlichen Erkrankungen der Wirbelsäule (Spondyloarthritiden). Ankylosierend bedeutet „zur knöchernden Gelenkversteifung führend“, Spondyl ist die Wirbelsäule. Die Krankheit zeigt sich entsprechend durch Schmerzen in der Wirbelsäule, die durch Entzündungen im Bereich der Kreuzbein-, Wirbel- und Darmbeingelenke und/oder Bandscheiben und Wirbelkörper verursacht werden.
Die Ursachen für Rückenschmerzen sind multifaktorell, in etwa fünf Prozent der Fälle handelt es sich um Morbus Bechterew. Die Krankheit betrifft häufiger Männer als Frauen. Der Krankheitsbeginn liegt häufig zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Ähnlich wie bei der frühen Form der rheumatoiden Arthritis treten Beschwerden wie Schmerzen und Steifheitsgefühl nach der Nachtruhe auf und verbessern sich im Laufe des Tages.
Oft geht die Krankheit auch mit Symptomen der ersten Gruppe der entzündlichen Gelenkerkrankungen einher und die Krankheitszeichen betreffen neben dem Rückenbereich z. B. auch Hüft- und Kniegelenke. Bei etwa einem Drittel der Patienten kommt eine entzündliche Augenerkrankung hinzu. Bei fortschreitendem Verlauf kann Morbus Bechterew durch eine Versteifung der Wirbelsäule zu erheblichen Bewegungseinschränkungen führen. Auch Lunge, Herz und Nieren können in Mitleidenschaft gezogen werden.
Als Ursache für die Entstehung einer ankylosierenden Spondylitis steht ein bestimmtes Erbmerkmal im Verdacht. Während das Humane Leukozyt Antigen B27, kurz HLA-B27, bei gesunden Menschen laut Robert Koch-Institut in einer Häufigkeit von acht bis zwölf Prozent vorliegt, sind mehr als 90 Prozent der Patienten mit Morbus Bechterew HLA-B27-positiv.
Die Psoriasis Arthritis, auch als Schuppenflechtenarthritis bekannt, zeigt sich ähnlich wie die frühe Form der rheumatoiden Arthritis mit entzündlichen Erkrankungen der Gelenke an Händen und Füßen, geht allerdings mit der Bildung einer Schuppenflechte an Haut und Nägeln einher. Als Krankheitsbild zeigen sich äußerlich entzündliche Stellen an den Finger- und Zehengelenken, in der Röntgenaufnahme werden bei dieser Form der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen Knochenwucherungen und -schäden an den betroffenen Stellen sichtbar. Auch ein Befall der Wirbelsäule ist möglich.
Laut Deutscher Gesellschaft für Rheumatologie sind etwa 0,1 bis 0,2 Prozent der Weltbevölkerung von Psoriasis Arthritis betroffen. Bei fünf bis 15 Prozent geht der Erkrankung eine Schuppenflechte (Psoriasis) voraus. Der Krankheitsverlauf ist bei dieser Form von Rheuma nicht einheitlich und kann sowohl chronisch kontinuierlich als auch schubweise fortschreiten.
Sklerodermie, auch als systemische Sklerose bezeichnet, ist eine seltene Ausprägungsform der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. Sie gehört zu den sogenannten Kollagenosen und entsteht in Folge einer Autoimmunerkrankung.
Der frühe Krankheitsverlauf zeigt sich zumeist durch farbliche Auffälligkeiten an den Fingern, die sich zunächst weiß und blau, anschließend rot verfärben und schmerzhaft anschwellen können. Mit Fortschreiten der Erkrankung zeigen sich Verdickungen und Verhärtungen an Händen und Füßen, die durch Entzündungen im Bindegewebe entstehen. Die Krankheit kann sich in schweren Fällen auf Lunge, Magen und Speiseröhre ausbreiten, selten auch auf Herz und Niere.
Die systemische Sklerose wird je nach Verlauf in vier Ausprägungsformen unterteilt: limitiert, diffus und undifferenziert sowie als Overlap-Syndrom, sogenanntes Sklerodermie-Überlappungssyndrom. Letzteres ist eine besondere Form der Sklerose, bei der neben Symptomen der Sklerodermie auch Anzeichen einer anderen Autoimmunerkrankungen, z. B. eine erhöhte Lichtempfindlichkeit, auftreten können.
Lupus erythematodes, umgangssprachlich als Schmetterlingsflechte bekannt, ist eine systemische Autoimmunerkrankung. Diese Form von Rheuma kann sich in einer Vielzahl von Symptomen zeigen.
Lupus erythematodes verläuft in der Regel in Schüben. Typisch für Patienten mit Lupus erythemotodes ist ein Hautausschlag, der sich in Form eines Schmetterlings über das gesamte Gesicht zieht. Der Ausschlag sowie alle anderen Symptome der Erkrankung werden durch eine Vielzahl von Antikörpern ausgelöst, die im Gewebe, den Gelenken und den inneren Organen Entzündungen verursachen.
Die Krankheit beginnt im Durchschnitt zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr, wobei Frauen zehnmal so häufig betroffen sind wie Männer. Während die 5-Jahres-Überlebensrate laut Robert Koch-Institut bei Patienten mit dieser Erkrankung Mitte des letzten Jahrhunderts noch bei unter 50 Prozent lag, liegt sie dank verbesserter therapeutischer Möglichkeiten heute bei 90 bis 95 Prozent.
Sabrina Mandel